
Es hätte der schönste Tag ihres Lebens sein sollen: Im Zürcher Triemli-Spital kam Nicola im Februar gesund zur Welt – zur grossen Freude von Vater Guerino (36) und der Mutter (36). Doch die Freude über die Geburt wurde bald von einem schwerwiegenden Umstand überschattet:
«Heute – über fünf Monate später – hat unser Kind noch immer keine Geburtsurkunde, keine Staatsangehörigkeit und darf die Schweiz nicht verlassen», sagt der Vater.
Der Grund: Die vietnamesische Mutter hatte zum Zeitpunkt der Geburt keine gültige eigene Geburtsurkunde.
«Meine Urkunde hätte ich offenbar maximal sechs Monate vor der Geburt erneuern lassen müssen», erklärt sie. Das habe sie aber erst im Nachhinein erfahren. «Mir waren somit die Hände gebunden.»
Die Urkunde konnte nicht per Post aus Vietnam geschickt werden – sie musste persönlich oder durch eine bevollmächtigte Person abgeholt werden.
«Da ich keine Verwandten mehr in Vietnam habe, müsste Nicolas Grossmutter persönlich reisen, um das Dokument zu holen – trotz gesundheitlicher Einschränkungen und einer Knieoperation.»
Die Unterlagen wurden einige Tage später in Zürich eingereicht. Jedoch fehlte auf der Urkunde ein Stempel des vietnamesischen Aussenministeriums. Das Dokument war damit ungültig.
«Die Behörden sagten, ich müsse erneut nach Vietnam reisen, um den Stempel zu holen. Doch das Aussenministerium ist für Privatpersonen gar nicht zugänglich», so die Mutter. Erst später bot das Amt an, ihre Urkunde per Post nach Vietnam zu schicken und beglaubigen zu lassen.
Das Paar hat momentan keine andere Wahl, als zu warten.
«Uns wurde gesagt, dass die Legalisierung bis zu vier Monate dauern kann», sagt Guerino. In der Zwischenzeit habe das Paar beim Zivilstandsamt einen provisorischen Eintrag beantragt. Doch auf die Anfrage habe es keine klare Rückmeldung gegeben. «Unser Sohn ist im System also gar nicht erfasst – er existiert offiziell nicht.»
Das hat schwerwiegende Folgen für Nicola und seine Eltern. Guerino sagt, er dürfe seinen Sohn nicht anerkennen. Einen Pass habe Nicola auch noch nicht erhalten.
«Nicola kann das Land nicht verlassen – dabei möchte ihn seine schwerkranke Grossmutter in Italien endlich kennenlernen.» Die Familie verpasst wichtige Momente miteinander. Die Zeit drängt.
Besonders für die Mutter bedeutet das enormen Stress.
«Ich bin am Ende», sagt sie. Sie brauche die Geburtsurkunde auch für ihren Arbeitgeber. Zudem sei es unmöglich, ohne Papiere einen Kita-Platz für Nicola zu finden.
«Das setzt mich stark unter Druck – es ist purer Stress.»
Das Triemli-Spital erklärt auf Anfrage von 20 Minuten, dass es sämtliche Geburten innerhalb von drei Tagen schriftlich dem Zivilstandsamt meldet.
«Als Spital stellen wir selbst keine Geburtsurkunden aus», sagt Sprecherin Maria Rodriguez. Das weitere Vorgehen liege beim Zivilstandsamt.
Zum Fall Nicola äussert sich das Zivilstandsamt nicht direkt.
Fachexperte Roland Peterhans erklärt jedoch allgemein:
«Voraussetzung für die Eintragung der Geburt ist, dass die Eltern – oder bei unverheirateten Paaren zumindest die Mutter – im Personenstandsregister eingetragen sind.»
Die Entscheidung über die Staatsangehörigkeit des Neugeborenen liege beim jeweiligen Heimatstaat, nicht beim Schweizer Zivilstandsamt.
In bestimmten Ausnahmefällen könne – mit Zustimmung der kantonalen Aufsichtsbehörde – eine Geburtsbestätigung ausgestellt werden, so Peterhans.
«Diese dient jedoch in der Regel nicht als Reisedokument und wird für die Ausstellung eines Heimatlandpasses meist nicht anerkannt.»
Je nach Herkunft der Eltern könne es schwierig sein, Dokumente aus dem Heimatland zu beschaffen.
«In solchen Fällen kann es vorkommen, dass die Geburt erst verzögert beurkundet werden kann.»
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